Kiesow
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Prof. Gottfried Kiesow †
Gesicht und Stimme der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - dies ist und bleibt Prof. Gottfried Kiesow.
Gottfried Kiesow wurde als Sohn eines evangelischen Pfarrers am 7. August 1931 geboren. Sein Heimatort Alt Gennin im Kreis Landsberg an der Warthe gehörte damals zur preußischen Provinz Brandenburg und liegt heute auf polnischem Gebiet. Wie er selbst schreibt, wurde er durch den Kriegsverlauf zunächst nach Ostdeutschland und dann nach Berlin verschlagen.
Nach seinem Abitur 1951 studierte er im niedersächsischen Göttingen, und zwar Kunstgeschichte, Klassische Archäologie, Geschichte und sogar Theaterwissenschaft. Tut sich hier eine Parallele zum preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel auf? Kiesows Schwerpunkt blieb sein Leben lang die Baukunst. Nach fünf Studienjahren promovierte er zum Dr. phil. mit dem Thema „Das Maßwerk in der Deutschen Baukunst bis 1350“. Das Glück war ihm hold, so bekam er ein Stipendium an der Universität von Florenz, wo er fünf Jahre lang die Architektur der Gotik in der Toskana erforschte.
Wieder auf deutschem Boden trat er in den öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen und wurde Bezirks-Denkmalpfleger zuerst für Hannover, dann für Braunschweig. 1966 wechselte er ins Nachbarland Hessen, hier stieg er sogleich zum Präsidenten des Landesamtes für Denkmalpflege auf. Diesen Posten mit Sitz im Barockschloss Biebrich bei Wiesbaden nahe am Rhein behielt er für drei Jahrzehnte bis zu seiner Pensionierung. Nebenher lehrte er als Honorar-Professor das Fach Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt am Main.
Dies allein füllt ein Leben schon aus, doch Prof. Kiesow wollte mehr. Das Vorbild des bereits Ende des 19. Jh. begründeten altehrwürdigen britischen bzw. schottischen National Trust mit mehreren Millionen Förderern und Mitglieds-Gemeinden, dem etwa 300 Baudenkmäler (oder Baudenkmale?) anvertraut wurden, wollte er nach Deutschland holen. Ihm gelang es 1985, mehrere Spitzenmanager aus der deutschen Wirtschaft zu gewinnen, um die „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“ zu gründen. Er wurde sogleich Mitglied im Vorstand, übernahm hier später den Vorsitz und behielt ihn 17 Jahre lang bis Ende 2010, als er in den Vorsitz des Kuratoriums wechselte.
Die junge Stiftung führte zunächst ein bescheidenes Dasein, doch mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze schlug ihr die große Stunde. Das neu gegründete Bundesland Thüringen, eigentlich das historische Mutterland Hessens (Zitat Kiesow: „hat ja im Wappen so eine ähnliche Landeskatze“), wurde dessen Partnerland. Der Verfall der Baudenkmale im Osten unseres Heimatlandes war atemberaubend. Hier wollte und musste Prof. Kiesow mit allen Kräften helfen.
In der „Neuruppiner Erklärung vom 28. Mai 1991“ heißt es: „Allein 30 Städte haben geschlossene mittelalterliche Stadtkerne von internationalem Rang, etwa 200 weitere haben zumindest städtebauliche Teilbereiche mit nationalem Denkmalwert. Dieses einmalige Kulturgut vor dem völligen Verfall zu retten, schrittweise zu erneuern und gleichzeitig eine moderne Infrastruktur zu entwickeln, ist eine nationale Aufgabe von hohem Rang.“ Dieses Papier verabschiedete unter dem Vorsitz von Prof. Kiesow eine Expertengruppe „Städtebaulicher Denkmalschutz“ beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das von Ende 1994 bis Anfang 1998 von Klaus Töpfer (CDU) geführt wurde, und den Kiesow einen der fähigsten Politiker seiner Zeit nennt. Das wichtige Bund-Länder-Programm zur Rettung historischer Altstädte wurde aufgelegt. Nicht nur der jungen Stiftung, auch Gottfried Kiesow wuchsen so ungeahnte Aufgaben zu.
Sein Einsatz brachte ihm die Ehrenbürgerwürde in folgenden Städten ein: Görlitz (Sachsen, Oberlausitz, 1995), Morschen (Hessen-Kassel, 1998), Quedlinburg (Sachsen-Anhalt, Ostharz, 1998), Stralsund, Wismar (beide Mecklenburg, 2004), Zittau (Sachsen, Oberlausitz, 2004), Romrod und Wiesbaden (beide Hessen, 2006). Ihm wurden u.a. das Große Bundesverdienstkreuz und die Bürgermedaille in Gold der Stadt Wiesbaden verliehen. Nach 57 glücklichen Jahren musste sich Gottfried Kiesow im Dezember 2009 für immer von seiner geliebten Ehefrau verabschieden - gewiss ein tiefer Einschnitt in seinem Leben.
Außer in seiner Wahlheimat Wiesbaden fühlte Gottfried Kiesow sich besonders wohl und geborgen in Görlitz, wie Zittau in der heutigen Südostecke Deutschlands gelegen, wo er das Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege e.V. und die DenkmalAkademie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz e.V. im Waidhaus an der Neiße initiierte. Wie die Neuaufbau der Dresdner Frauenkirche war die Ruine der Wismarer Georgenkirche eines der Leuchtturmprojekte der Stiftung. So wundert es nicht, dass Gottfried Kiesow zu Wismars Bürgermeisterin Dr. Rosemarie Wilcken (im Amt 1990 - 2010, SPD) einen geradezu freundschaftlichen Kontakt aufbaute, welcher darin mündete, sie als seine Nachfolgerin im Vorsitz der Denkmalschutz-Stiftung einzusetzen. Zwischen der Barockstadt mit gotischen Hallenhäusern Görlitz und der Backsteingotikstadt Wismar liegt die Fachwerkstadt Quedlinburg am Harz, der dritte Bezugspunkt im Wirken Kiesows auf ostdeutschem Boden, wo er die erste von damals zwölf Jugendbauhütten einrichtete.
Prof. Kiesow lernte ich erstmals 1998 auf einer Denkmalreise kennen, „Thüringen - Land voll Maß und Mitte“. Er war - wie bereits erwähnt - vor seiner Pensionierung Leiter des hessischen Landesdenkmalamtes. Nach seinem Bekunden hatten „40 Jahre als Denkmalschützer nur den Zweck, ihn auf die äußerst schwierigen Herausforderungen nach der deutschen Einheit vorzubereiten“. Dem „VEB Denkmalpflege“ in der DDR stellt er ein schlechtes Zeugnis aus. In dem untergegangenem Staat gelang offenbar: „Ruinen schaffen ohne Waffen“. Man musste nach der Wende zunächst eine gemeinsame Sprache finden. So verstand man unter „Kapazitäten“ anders als im Westen nicht ausgezeichnete Fachleute, sondern knappe Güter wie Material und Arbeitskräfte. Dennoch verbinde ihn eine zum Teil jahrzehntelange Freundschaft zu engagierten Einzelpersönlichkeiten, die es schon lange vor der Wende gab und denen wir heute einiges zu verdanken haben.
Die Zeitschrift „monumente“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz schreibt im Februar 2011 über Gottfried Kiesow: „Seit über 50 Jahren hat er sein Talent perfektioniert, Architektur- und Kunstgeschichte unterhaltsam und mitreißend vorzutragen.“ Wer wenigstens eine von über hundert Denkmalschutz-Reisen miterlebt hat, kann dies bestätigen wie auch die Leser seiner Reihe „Sehen lernen mit Gottfried Kiesow“. Er war ein Meister der eher leisen Töne und wurde gerade deshalb gern gehört. Sein Gedächtnis stützte er oft mit einem seiner Spiralblöcke, aus denen er Passagen auch vorlas, denn sein Gehirn nannte er „einen Computer, aber ein veraltetes Modell“. Gruppen konnten alles gut hören über die sog. „Personenführanlage“ aus Kopfhörern und einem Mikrofon.
Am 7. November 2011 starb Prof. Kiesow im Alter von 80 Jahren. Ich habe ihm viel Wissen zu verdanken und vermisse ihn.
Meine Tipps: Spenden Sie wie bereits mehr als 200.000 Menschen regelmäßig an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, mindestens 50 Euro im Jahr; Sie erhalten sechs Ausgaben der „monumente“ pro Jahr, von denen ich jede komplett durchlese. Und melden Sie sich für eine der Denkmalreisen an, aber innerhalb weniger Tage, nachdem das Februar-Heft bei Ihnen ist, denn die Plätze sind begehrt und knapp. Eine gute Gelegenheit, mit der Stiftung Tuchfühlung aufzunehmen, ist der „Tag des offenen Denkmals“, der jedes Jahr am zweiten Wochenende im September in vielen Städten stattfindet. Fazit: Mit Prof. Gottfried Kiesow können wir alle mehr als sehen lernen.
Quellen:
„monumente“ Heft 1/2011
Internet: www.denkmalschutz.de, www.monumente-online.de (insbes. Interview 25 Jahre Stiftung)