Die Pentapoleis - Hamburg und Berlin Exkursion mit Prof. Dr. Dr. Ulrich Matthée, Kiel vom 25. bis 29. April 2003 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Berlin, die größte, und Hamburg, die zweitgrößte Stadt in Deutschland - die kennt doch jeder. Meinen Sie? Doch was von diesen beiden Metropolen kennen Sie wirklich? Wissen Sie auch von den Ursprüngen? Eine kleine Gruppe aus 13 Personen machte sich auf den Weg, beide Innen- und Altstädte zu erwandern. Prof. Matthée fungierte diesmal nicht nur als Initiator und Organisator sowie wissenschaftlicher Leiter - sondern auch noch als Chauffeur des Kleinbusses, der im Geleit mit einer Limousine überall hin gelangte (auch auf Bürgersteige). Beiden Städten ist gemeinsam, an Flüssen entstanden zu sein: Hamburg an der Alster (nicht etwa an der Elbe!) und Berlin an der Spree. Beide sind aus fünf damals rechtlich selbständigen Städten (also auf griechisch: Pentapoleis) zusammen gewachsen. Und beide hatten im Mittelalter eine massive Befestigung aus Wallanlagen mit Bastionen und Ravelins. Der älteste Punkt von Hamburg ist der Speersort. An diesem dreieckigen, begrünten Platz | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
liegt unter einem Geschäftshaus (von „Radio Hamburg") das Fundament eines Rundturms, der zur Hammaburg gehörte. Diese war eine Bischofsburg, 831 von Ansgar errichtet, aber mehrmals von den Normannen überrannt, weshalb 845 - in Form eines Doppel-Erz-Bistums - der Sitz nach Bremen „zurück" verlegt wurde. 1 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Jeder der fünf „Nuklei" hat seine Stadtkirche: 1. St. Petri (in der Prälatenstadt, war die älteste Stadt-Pfarrkirche), 2. St. Nikolai (in der Kaufmannsstadt, nach Bombenschäden steht nur noch der mit 149 m dritthöchste gotische Kirchturm der Welt), 3. St. Jakobi (in der Fuhrleutestadt, Gemeinde von 1255, heutiger Bau von 1340, mit der barocken Arp-Schnitger-Orgel von 1693, Bild des Jakobus rechts) 4. St. Katharinen (in der Schifferstadt, Bild links) und 5. St. Michaelis (in der Vorstadt der Religionsflüchtlinge, ursprünglich auf Friedhofsgelände errichtet, heute als „Hamburger Michel" ein Wahrzeichen). Unter dem „Hamburger Dom" versteht man heute einen Jahrmarkt, eine Festwiese, eben einen Rummel. Das Bauwerk, das bis zur Napoleonischen Zeit auf dem Heiligengeistfeld stand, war St. Marien gewidmet. (Bild unten: Stadtpanorama von Joachim Luhn von 1681 in St. Jakobi) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nach diesem Zickzack-Kurs vom Hauptbahnhof im Nordosten bis vor die Speicherstadt im Südwesten und einer Mittagsrast auf dem Großneumarkt waren wir gut trainiert für die Festungen. Halbkreisförmig nach Norden und in gerader Linie an Elbe- und Bille-Fluss verläuft der Wall mit seinen Bastionen, von denen die vorderste, Johannes, im Hafen verschwunden ist. Wir begannen im Westen auf dem Hügel über der Elbe: 1. Albertus-Bastion (mit der Jugendherberge und seinem herrlichen Blick auf die Landungsbrücken), 2. Casparus-Bastion (mit dem Bismarck-Standbild), 3. Henricus-Bastion (mit dem „Museum für Hamburgische Geschichte", erbaut von 1914 23), 4. Eberhardus-Bastion (im Park von „Planten un Blomen", heute mit Kunsteisbahn), 5. Joachimus-Bastion (mit Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild an den Gerichtsgebäuden), 5. Ulricus-Bastion (zugewachsen), 6. Rudolphus-Bastion. Nicht mehr sichtbar ist die Sternschanze, eine vorgelagerte Festung nach Nordwesten gegen die dänischen Truppen, welche durch einen unterirdischen Tunnel mit einer Bastion verbunden war. Vorbei an den Bastionen Petrus (Esplanade), Dirk (unter Bahn), David (Alsterbrücke), erreichten wir südlich der Vincenzus-Bastion (mit dem Erweiterungsbau der „Hamburger Kunsthalle") wieder den Ausgangspunkt auf der Hieronimus-Bastion. Hier schließen sich noch die fast verschwundenen Bastionen Sebastian, Bartholdus, und Ericus (an der Elbe) an. Ausnahmsweise unbescheiden benannten die Ratsherren die Bastionen in latinisierten Formen nach ihren eigenen Vornamen. Dieses Festungswerk, gerade rechtzeitig vom niederländischen Festungsbaumeister Johann van Valckenburgh im 30-jährigen Krieg vollendet, machte die Stadt nahezu uneinnehmbar . Im 19. Jahrhundert wurde der Wall, der sogar die gestaute Alster durchtrennt in Innen- und Außenalster, niedergelegt. Auf ihn wurde streckenweise die Bahntrasse gelegt. Nach gut drei Stunden Autobahnfahrt erreichten wir Berlin-Tegel und parkten am Schloss, das den Familien von Humboldt, von Bülow und von Heinz als Wohnsitz diente. Dahinter schließt eine lange Wiese in einer Waldschneise an, an deren Ende die Grabstätten liegen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Unser Nachtquartier war das gute „Hotel Tiergarten", 2a mit vorzüglichem Frühstücks-Büfett, und unser Bier und Abendessen nahmen wir einige Häuser weiter im „Paulaner" in der ehemaligen Meierei Bolle. Der zweite Tag begann wieder mit einem Rundgang durch die Pentapolis, diesmal die von Berlin. Das alte Berlin, rechts der Spree, hat zwei Stadtkirchen: im Norden St. Marien und im Süden St. Nicolai (im wieder eng bebauten Nicolai-Viertel, wirkt durchaus anheimelnd, Ziffer 1). Berlin, gegründet um 1242, ist aber nicht der älteste Vorgänger, sondern Cölln, das sich seit 1237 auf der Spree-Insel (heute von der Museums-Insel über den Schlossplatz weit nach Osten bis zur Fischer-Insel, Ziffer 2) erstreckt. Von der Stadtkirche St. Peter und dem Rathaus ist nichts mehr da. Anders sieht es westlich in Friedrichswerder (1658, Ziffer 3) aus, dessen Kirche ein Museum mit sehr sehenswerten Skulpturen enthält - hierzu später mehr. Die Schachbrett artig angelegte Friedrichstadt von 1688 mit ihrer langen Nord-Süd-Achse Friedrichstraße hat als Kern den Gendarmen-Markt (Ziffer 4). Von dort durch die historisch „belastete" Wilhelmstraße gelangten wir zur Prachtstraße „Unter den Linden", der nördlich die fünfte, die Dorotheen-Stadt vorgelagert ist (Ziffer 5). Von den Bastionen ist nichts mehr erhalten. Den Verlauf des Walles kann man jedoch auch hier gut am S-Bahn-Damm ablesen. Nördlich hinter dem pompösen, aus Wilhelm II. Zeit stammenden, Berliner Dom gelangten wir nach dem Gottesdienst über den Platz der Bastion XII und der Garnisons-Kirche (nur an Straßennamen erkennbar) unter der Bahn hindurch über den Hackeschen Markt in die Hackeschen Höfe. Diese sind Teil der Spandauer Vorstadt bzw. des Scheunen-Viertels. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Dies ist seit 1699 die nördlichste der Vorstädte der Stadterweiterung, die von Westen mit dem „Unterbaum" an der Friedrich-Wilhelm-Stadt und im Osten mit dem „Oberbaum" abschließt und von folgenden Stadttoren (bis auf eines alle nicht erhalten) begrenzt wurde: Neues, Oranienburger, Hamburger, Rosenthaler, Schönhauser, Prenzlauer, Königs-, Landsberger Tor im Norden, Schlesisches, Köpenicker, Cottbuser, Wasser-, Hallesches, Anhaltisches, Potsdamer und - Sie vermissen es schon - Brandenburger Tor im Süden und Westen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wir waren in Berlin viel zu Fuß unterwegs. Von den Straßen, die wir begangen haben, sind drei es wert, hervor gehoben zu werden: Zuerst „Unter den Linden", die an der ehem. Schlossbrücke beginnt und zwischen Dorotheen- und Friedrichstadt nach Westen zum Brandenburger Tor führt. Ehemals als Verbindung zum „Tiergarten" - keinem Zoo, sondern einem Jagdrevier - wurde sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts vom Großen Kurfürsten angelegt und durch Friedrich dem Großen als Prachtstraße ausgebaut. Im Ostteil ist sie durch repräsentative Bauten des öffentlichen Lebens bestimmt, im Westen eher durch Ladengeschäfte. Bedeutende Bauten sind die Russische (vormals Sowjetische) Botschaft, die Deutsche Staatsbibliothek und die Humboldt-Universität (als Friedrich-Wilhelm-Universität im ehem. Prinz-Heinrich-Palais gegründet). Am Bebelplatz gegenüber liegt die Deutsche Staatsoper Berlin, wie sie als Königliche Oper von G. W. von Knobelsdorf errichtet und nach 1945 wieder aufgebaut wurde, etwas versteckt dahinter die Hedwigs-Kathedrale mit ihrer Rundkuppel, auf der anderen Seite | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
die von Karl Friedrich Schinkel erbaute Neue Wache, welche zu DDR-Zeiten als Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Militarismus" diente und heute als Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" dient,3 und das Deutsche Historische Museum im ehem. Zeughaus. Durchschnitten werden „die Linden" von der Friedrichstraße, welche weit im Norden bis zum ehem. Oranienburger Tor und weit im Süden bis zum früheren Halleschen Tor schnurgerade vorstößt. In dieser Haupteinkaufsstraße hatte ich immer wieder das Gefühl, Berlin sei gar keine alte Stadt, sondern erst in den letzten zwölf Jahren neu gebaut worden. Bis auf wenige alte Bauten wie den „Friedrichstadtpalast", ist die meiste Bausubstanz aus Stahl, Beton und Glas. Im Süden stießen wir auf den „Checkpoint Charlie", den ehem. Grenzübergang für Alliierte. In dessen Nähe steht auch noch ein Stück der Berliner Mauer mit einer mahnenden Ausstellung zur Geschichte auf Tafeln mit Text und Schwarzweißfotos, eine Art Wandzeitung. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Und westlich davon liegt, ebenfalls von „den Linden schräg nach Südosten abzweigend und fast auf das Südende der Friedrichstraße treffend, die Wilhelmstraße.4 Diese lag Jahrzehnte lang als beräumte Ruinenfläche und wurde gesichtslos mit Plattenbauten zugestellt. Vorher stand hier das Regierungsviertel bis zur NS-Zeit. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Größter Bau ist das streng und abweisend wirkende frühere Reichsluftfahrtministerium (Bild oben), in dem heute das Bundesfinanzministerium untergebracht ist. Einzige Lichtblicke in dieser Straße: im Norden die heitere, gewagte Britische Botschaft und im Süden der mächtige Bug der Zentrale der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - SPD, zur der unsere Gruppe allerdings respektvollen Abstand hielt. Nun kommen wir zu den Schlössern. Zunächst lassen Sie mich (anders als Prof. Matthée) auf das „Stadtschloss" zu sprechen kommen, das es gar nicht mehr gibt. Hierin residierten die Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, Könige von Preußen und deutschen Kaiser. Begonnen wurde es um 1443 - 1451 unter Kurfürst Friedrich II. als Ziegelbau auf der Nordspitze der Insel Kölln am Spreeufer. Kurfürst Joachim II. ließ die Anlage in einen stattlichen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Renaissancebau nach dem Vorbild sächsischer Schlösser umgestalten. Ende des 17. Jahrhunderts standen stilistisch unterschiedliche Baulichkeiten um zwei Innenhöfe sowie ein nordwestlich anschließender ausgedehnter Lustgarten. Kurfürst Friedrich der III., der sich als Friedrich I. zum ersten König krönte, befahl A. Schlüter den Umbau zu einer einheitlichen Barockanlage. Des Letztgenannten Nachfolger wurde J. F. Eosander, der die Anlage um das Doppelte erweiterte. So wurde das Schloss zu einem Hauptwerk des norddeutschen Barock. Das stilistisch außerordentlich reiche und mannigfaltige Schlossinnere veranschaulichte die Entwicklung der Raumkunst und Dekoration von der Renaissance bis zum historisierenden Eklektizismus des späten 19. Jahrhunderts.5 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Warum schreibe ich Ihnen dies? Damit Sie mit mir trauern können um das, was wir verloren haben. (Links im Bild: „Fenster" mit der Schlossecke in der „Schinkel-Klause", in der wir sehr gut zu Mittag gegessen haben) Ob Sie einen Groll auf die kommunistische Regierung der frühen DDR haben, überlasse ich Ihnen. Nach dem schweren Luftangriff am 3. Februar 1945 brannte das Schloss zu großen Teilen aus, wobei die überwiegende Mehrzahl der Prunkräume verloren ging. Nach anfänglichen Plänen für die Wiederherstellung des Äußeren wurde die Ruine 1950/51 vollständig beseitigt. Nur das im Eosanderschen Erweiterungstrakt zum Lustgarten gelegene Schlossportal IV („Liebknecht-Portal") wurde 1963 in die Fassade des Staatsratsgebäudes einbezogen (Foto rechts). Am Spreeufer entstand 1973 - 76 der Neubau des „Palastes der Republik", dessen „Großer Saal" mit den hydraulisch beweglichen Tribünen „eine architektonische Meisterleistung seiner Zeit" war, so sein Architekt Manfred Prasser.6 Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, das Stadtschloss neu zu errichten. Für 100 Tage war es im Sommer 1993 wieder zu sehen. Die „optische Rekonstruktion" mit bemalten Kunststoffplanen entstand auf Initiative des Landmaschinen-Unternehmers und Hobby-Kunstgeschichtlers Wilhelm von Boddien aus Bargteheide in Schleswig-Holstein.7 Die Attrappe kostete etwa vier Millionen Mark, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
die ein deutscher Großkonzern stiftete. - Und heute, zehn Jahre danach? Von Boddien lud kürzlich gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den Staatlichen Museen Schlossfreunde ein, das erste aus Gips in Originalgröße nachgebildete Fenster zu besichtigen.8 Der „Palast der Republik" wurde unter dem Vorwand der Asbest-Verseuchung innen „ausgeweidet" und hat damit 1/3 seiner Substanz eingebüßt - und ist selbst zur Ruine gemacht worden. Ab und zu gibt es geführte Touren durch den Rohbau, dessen Volkskammersaal und Foyer 2004 bis 2006 auch wieder für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden sollen.9 Marion Gräfin Dönhoff, langjährige Herausgeberin von „Die Zeit" befürwortete eine Rekonstruktion des Schlüter-Baus.10 Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) plädiert wie der Bundestag 2002 dafür, an Stelle des maroden „Palastes der Republik" einen 670 Mio. Euro teuren Bau mit barocken Fassaden zu errichten. Bislang ist ein „Humboldt-Forum" geplant, eine Kombination aus wissenschaftlichen Einrichtungen und Museen.11 In 2001 hatte die „Internationale Expertenkommission Historische Mitte" einstimmig eine Zwischennutzung des „Palastes" vorgeschlagen.12 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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