Kolloquium "Mühlen gestern und heute" in Allstedt am 21. April 2001 | |||||||
Unter diesem Motto stand eine regionalgeschichtliche Tagung. Hierzu hatte der "Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V." gemeinsam mit dem "Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V." eingeladen. Rund 40 interessierte Besucher trafen sich im zweiten Obergeschoss der mehr und mehr renovierten Stadtmühle in Allstedt. | |||||||
1. Mühlen in Sangerhausen Den ersten von fünf Vorträgen hielt Helmut Loth, Vorsitzender des Sangerhäuser Geschichtsvereins. Er beschäftigte sich mit den Mühlen in Sangerhausen, von denen es einst elf am Rande der Altstadt gab. So bestanden je nach der zur Abgabenerhebung berechtigten Institution Rats- und Amtsmühlen, aber auch eine Klostermühle zu St. Ulrich. Alle Mühlen bei der Stadt waren Wassermühlen. Die überwiegend heute noch stehenden Mühlgebäude sind als Produktionsstätten nahezu alle nicht mehr zu erkennen, von der Mechanik sind, wenn überhaupt, nur geringe Reste vorhanden. Die Häuser werden meist zu Wohn- oder Lagerzwecken genutzt. Die ersten urkundlichen Hinweise stammten meist aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. Herr Loth begann seinen fiktiven Rundgang mit der Resen- bzw. Rosenmühle an der Gonna-Brücke, der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße, gegenüber folgte die Brückenmühle, dann die Malz- oder Ölmühle im Altendorf Weiter ging es mit der Probstmühle am Brandrain, jener vom Nonnenkloster, an deren Holzgerippe die 1999 begonnenen Wiederherstellungsmaßnahmen ins Stocken geraten sind. Auf der Westseite nannte er die Rabenmühle, dann die Kyselhäuser oder Hüttenmühle, schließlich die Stollen- oder Neue Mühle und die sogenannte Pfeffermühle. Im Norden standen die Weisenmühle als Öl-, Walk- und 'Lohmühle, die Weidenmühle im Bereich der Kupferhütte und die bekannte Walkmühle der Tuchmacher und Wollweber. Den Abschluss bilden die Jackenthalsmühle in der Schifffahrt und die Kloster- und Talmühle, auch Bettlermühle genannt. 2. Zur sozialen Lage der Müller | |||||||
An diesen denkmalpflegerischen Stadtrundgang schloss sich Dr. W. Heinrich Held aus Halle an und berichtete zur sozialen Lage der Müller. In diesem zum Teil aus dem Großbauernstand hervorgegangenen Beruf lagen arm und reich nah beieinander. Müller waren noch mehr vom Wetter, ob vom Wasser oder vom Wind, abhängig als die Landwirtschaft. Nach einem Rückgriff bis in biblische und antike Zeiten erklärte Dr. Held den Spruch "Jemand das Wasser abgraben", der sich aus dem Ausheben von Mühlgräben an Fließgewässern ableitet. | |||||||
Trotz des bis ins 17. Jahrhundert schlechten Rufes der Müller war man sich der Abhängigkeit von Müller und Mühle überall bewusst. So gestand man sogar ein Asylrecht für Flüchtlinge, jedoch keine Schwerverbrecher, zu, um bei der Verfolgung nicht die Mühle in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Müller hatten damals noch einen ähnlich schlechten Ruf wie Abdecker, Gerber, Leineweber, Schäfer, Scharfrichter und Totengräber. Der zweifelhafte Ruf der Müller kam großenteils daher, dass niemand außer ihm die Menge Mehl, die das angelieferte Korn ergibt, richtig einschätzen kann. Der für das Mahlen dem Müller zustehende Anteil war die sogenannte Metze. Sie wurde 1560 zuerst auf 1/8, später 1/20 oder 1/16, festgesetzt. Dem Müllerburschen stand hiervon 1/6 zu. Dieser Anteil belief sich im Jahr auf rund 35 Talern, was sich schwer in heutige Währung umrechnen lässt. Ein Landpfarrer bekam zu Vergleich 130 Taler. | |||||||
Durch die Landesherren wurde regelmäßig ein Mahlzwang angeordnet, der die Landwirtschaft einer Region einer bestimmten Wassermühle zuordnete, was die gleichmäßige Auslastung und damit die Abgabenerhebung vereinfachte. Dagegen wurden Windmühlen meist privat betrieben. Windmüller waren damit viel schlechter dran, weil sie sich mit Kleinbauern, welche nicht mit Fuhrwerken, sondern mit Handkarren oder auf ihrem Buckel, das Getreide brachten. 1576 wurde die erste Innungsordnung mit 12 Artikeln erlassen (Bernburg, Wettin). Diese verlangte unter Anderem, dass der Müller sich von Lehrlingen einen Geburtsbrief vorlegen lassen musste. Auch Strafen waren geregelt: So kosteten "Schmehungen (Schmähungen) 1 Fass torgisch Bier". Dies galt auch bei der Aufnahme unehrenhaft Entlassener. Ferner wurde den Müllern das Privileg der Sonn- und Feiertagsarbeit zugestanden. 3. Historische Wassermühlen im Harz Bereits zu Beginn wurde durch Walter Pfister, dem Vorsitzenden vom "Verein Mansfelder Bergarbeiter Sangerhausen e.V.", Herr Dr. Gero Bode für seine archäologischen Arbeiten, insbesondere am Bergbaulehrpfad in Wettelrode und am Ausgehenden des Kupferschiefers, mit der Ehrennadel in Silber ausgezeichnet. Dr. Bode sprach zu historischen Wassermühlen des Harzes. Ohne sie ist der Bergbau nicht zu verstehen. Für ihn ist die Unterscheidung zwischen Wassermühlen und Wasserrädern nicht immer einfach. Ihn beschäftigte insbesondere die Frage, wann die Wassermühlen nach Mitteleuropa gelangt sind. Die Erfindung kam offenbar über Frankreich und Großbritannien, wo um 1086 eine Aufzeichnung rund 5.000 Wassermühlen ergab, in unseren Raum. | |||||||
Das Machtzentrum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation lag damals im und um den Harz, nicht in Frankreich. So fragt Dr. Bode, warum keiner von 10.000 wanderlustigen Müllern von Frankreich aus nach Osten gegangen sein sollte. Mit Hilfe von ABM werden derzeit Bestandsaufnahmen für die Landkreise Wernigerode und Sangerhausen angefertigt. So betrafen die meisten Beispiele von Dr. Bode den Nordharz. Die Ausgrabungsobjekte werden Dr. Bode so schnell nicht ausgehen, der Kreis Wernigerode hat allein 274 nachgewiesene Standorte. Im Deutschen Reich gab es 1895 insgesamt 54.529 "Wassermotoren". Zeichnung: Mahlgang und Beutelwerk einer Wassermühle. 4. Geschichte der Stadtmühle in Allstedt | |||||||
Als Gastgeberin erläuterte Frau Ilona Trimborn-Bruns "ihre" Stadtmühle Allstedt (rechts: Aufnahme von 1998). Erste urkundliche Spuren eines Kaufvertrages reichen bis 1621 zurück. Eine Mühle muss also vorher schon bestanden haben. Auch in Spangenbergs Chronik wird die Allstedter Mühle erwähnt. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurde die Mühle sogar als Münzprägestätte genutzt. Zuvor war das Münzschlagen 1610 nur in Saalfeld erlaubt. Die folgende "Kipperzeit" brachte jedoch eine schlechte Münzqualität, so dass die Prägung bereits 1623 beendet wurde. Späterer Geldgeber war dann von Tryller. Amtsschösser Loth aus Allstedt beschuldigte ihn ebenfalls schlechter Münzen. | |||||||
Das 17. Jahrhundert brachte viele Kriegszerstörungen. Hinzu kamen zwei Stadtbrände und 1681 der Ausbruch der Pest, die 800 Menschenleben forderte. In der Stadtmauer nahe der Mühle befand sich schon damals eine Pforte, die trotz geschlossener Stadttore durchschnitten werden konnte. Streitigkeiten um die Mühle hatte Herzog Johann Wilhelm oft zu schlichten, vom ihm stammt der Ausspruch: "Was ist das für ein Müller in Allstedt, der so streitbar ist ?" Dieser Müller war Johann Zacharias Triebel, welcher sich gegen die Vorwürfe von zwei Sachverständigen verteidigen ließ. Das heutige Gebäude wurde von ihm 1716 errichtet, jedoch bereits 1718 "vom Feuer wieder verzehrst". Wahrscheinlich war die Mühle bei diesem Brand jedoch nur gering beschädigt worden. Auch Frau Bruns erklärte einen Spruch: "etwas auf dem Kerbholz haben". Um den Mühlenzwang, welcher seit 1707 bestand, kontrollieren zu können, wurde ein Holzstab längs durchtrennt. Eine Hälfte bekam der Mahlgast, die andere behielt der Müller. Jedes Mal beim Mahlen wurden beide Hälften zusammengelegt und eine Kerbe eingeritzt. War der Mahlgast jedoch "fremd" gegangen, so hatte sein Holz eine Kerbe, die da nicht hin gehörte. 1710 wurde der Müller-Beruf ehrenhaft, das Bürgerrecht ermöglicht. Auch einen Innungsberuf, z. B. Zimmermann, durfte ein Müller nun ausüben. Anfang des 19. Jahrhunderts ging die Stadtmühle in den Besitz der Familie Gräf über. Der einflussreichste Müller war Karl Friedrich Gräf, der manch "markige Worte mit Schwung und Nachdruck hinterlassen" konnte. Während der Unruhen am 13. März 1848 war er sogar Bürgermeister von Allstedt. Weil er politisch aktiv war, warf man ihm vor, seine Macht ausgenutzt zu haben, um auch die Mühlen in Katharinenrieth und Gehofen erwerben zu können. Zudem war Gräf Bauingenieur und Straßenprojektant. 63 Jahre später, bereits nach der Reichsgründung, übernahm sein Sohn die Mühle. Diese Zeit der Industrialisierung brachte tiefe Einschnitte mit der Verbreitung der Dampfmaschine. Streit um das Wasser gab es mit der Nachfolger-Familie Grunitz um die Wasserrechte in den 20er und 30er Jahren des 20sten Jahrhunderts. 1926 wollte die Stadt Allstedt ein Schwimmbad bauen. Paul Christian Ottomar Grunitz wehrte sich dagegen, er müsse ohnehin die meiste Steuer zahlen. Im Briefverkehr imponierte er bei den Empfängern, indem er die Rückseiten alter Briefe beschriftete, so z. B. eine Werbung des berühmten Hotels Adlon in Berlin, um den nächsten Vorschuss zu verlangen. Den unvermeidlichen Dieselmotor muss er schließlich allein finanzieren. 1936 ist ihm auch noch die Scheune abgebrannt. Sein Sohn Thilo Grunitz hat 1938 einen Elektromotor einbauen lassen. Er wurde früh in den 2. Weltkrieg eingezogen und spät entlassen. So ernährte sich die Familie überwiegend mit Landwirtschaft und Viehzucht. Seit der Eröffnung der LPG-Mühle 1960 bekam Müller Grunitz noch weniger zu tun. Die meisten Geräte kamen entweder zur neuen Mühle oder wurden verschrottet. So wurde bis zu seinem Tode 1993 kein Mehl, sondern nur noch Schrot gemahlen. | |||||||
1995 wurde der "Mühlenverein Stadtmühle Allstedt e.V." gegründet, der heute 21 Mitglieder zählt. Seitdem haben diese und ihre Freunde viel erreicht. Die Wasserrechte wurden wieder beantragt und gewährt, wenn auch nur zum Schaumahlen. Der Mühlgraben wurde völlig neu angelegt, ein neues Wasserrad gebaut. Dieses ist zwar noch nicht an die Mahl-Mechanik angeschlossen, was aber 2001 realisiert werden soll. (Foto: diverse Schrot- und Mehlsorten zum Anfassen am Mühlentag.) | |||||||
4. Mühlen in Sagen und Märchen Den literarischen Abschluss bildete Frau Christa Jacob aus Halle mit "Mühlen in Sagen und Märchen". Nach den Gebrüdern Grimm sind Märchen poetischer, Sagen historischer. Weil Mühlen meist einsam und abseits gelegen sind, sind sie Geheimnis umwitterte Orte. So tut der Müller dem Korn das Ärgste an: Er mahlt es zwischen zwei Steinen zu Tode. Frau Jacob erzählte manche kurze Geschichte, unter anderem vom Müller zu Wettin. Ihm waren bereits vier Knechte gestorben, bis ein Fünfter es wagte, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen. Dieser mutige junge Bursche legte sich nachts auf die Lauer und erwischte einen aggressiven Kater, dem er die Pfote abhackte. Morgens fehlte dem Müller die Hand. Aber es gibt auch angenehmere Geschichten um hübsche Müllerinnen oder Müllerstöchter. Diese Frauen sind zudem auch stark und klug. So können sie Vagabunden daran hindern, sich einen Teil aus der Mühle zu holen. - Allen Märchen ist jedoch eine Moral eigen, die dem kindlichen Gerechtigkeitsempfinden entspricht. Jeder bekommt das, was er verdient. 5. Rundgang um und durch die Stadtmühle in Allstedt | |||||||
Mühlenbesitzer Edmund Bruns führte die Besucher am Nachmittag um und durch die Mühle. Besonders stolz ist er darüber, vom Wasserlauf der Rohne wieder einen Mühlgraben an das neue Mühlrad geführt zu haben. Die Rinne ist aus Beton und mit Original-Natursteinen verkleidet, die beim Ausheben wieder gefunden wurden. Von der ursprünglichen Fallhöhe des Wassers von 4,80 Meter sind heute nur noch 3,10 Meter übrig geblieben. Dies liegt an der Kanalisierung der Rohne im Oberlauf und der Verschlammung im Unterlauf. | |||||||
Als Zimmermannsmeister hat Herr Bruns das Mühlrad selbst aus Holz gebaut. Es hat drei Meter Durchmesser und gut einen Meter Breite und dreht sich "oberschlächtig" schon bei geringer Wasserzufuhr. Die Hölzer wurden so ausgewogen und eingebaut, dass die natürliche Unwucht des Stammes, der die Welle bildet, nahezu vollständig ausgeglichen wurde. Die Besucher konnten sich im kalten Wind vom ruhigen Lauf des Rades selbst überzeugen. Im Keller der Mühle ist die Welle (Foto oben links) des Mühlrades noch nicht mit der Mechanik verbunden, in diesem Jahr soll sie die Transmission an Stelle des Elektromotors antreiben. Wenn sich die beiden Wellen, die zweite hängt unter dem Boden des 1. Obergeschosses, von Lederriemen getrieben drehen, kommt echte Mühlenstimmung auf! Etliche Bauteile und Maschinen wurden und werden noch aus Abbruchmühlen hinzu erworben. Ziel ist eine komplette Schaumühle. Die Funktionsweise der Mühle erklärt Edmund Bruns an Hand des noch stehenden Schrotwerkes (Foto oben rechts) Der Unterstein liegt fest auf dem Boden. Durch ein Loch in dessen Mitte führt das Mühleisen in den Oberstein, den Läufer, mit dem es verbunden ist. Über dieses Mühleisen gelangt die Kraft von der Welle über Umlenkgetriebe auf den Mahlstein. Das Getreide - oder das Mahlgut aus dem vorherigem Mahlgut - wird so oft wieder zugeführt, bis feines Mehl entsteht. Damit das Mahlgut innerhalb der Mühle transportiert werden kann, sind diverse hölzerne Rohre eingebaut. Soll es nach oben gelangen, so ist in das Holzrohr ein Lederriemen mit angenähten Bechern aus Blech eingelassen. Über die Transmission angetrieben schöpfen die Becher am Fußende das Mahlgut ein und kippen es am Kopfende wieder aus in ein anderes Holzrohr. Das Mühlengebäude befand sich Anfang der 90er Jahre in einem schlechten baulichen Zustand. Spätestens seit 1973 war das Dach an einer Ecke undicht, nachdem ein Baumast darauf gestürzt war. Bevor es neu eingedeckt werden konnte, musste die Statik geprüft werden. Schließlich wiegt das neue Dach mit Dämmung etwa das Doppelte des alten. | |||||||
Hinzu kam, dass die Mühle zur Wasserseite hin abgesunken ist, insbesondere war die Verblendung mit Klinkern dem Fachwerk im Obergeschoss nicht bekommen. So wurde die obere Wand zur Wasserseite herausgenommen, das Fachwerk an die Außenseite verlegt und innen hintermauert. Hierbei wurde auf selbst gefertigte Lehmziegel zurück gegriffen. | |||||||
Der Dachstuhl wurde insgesamt angehoben, um wieder ein gerades Dach zu bekommen. Ein tragender Balken, der durchgebrochen war, musste mit einem neuen Balken unterfangen werden. Dennoch gilt für Familie Bruns, so viel originale Bausubstanz wie möglich zu erhalten, was auch die knappen Finanzen schon bedingen. Als schwierig erweist sich noch die Beheizung des Mühlgebäudes. Während der Tagung behalf man sich mit einem gasgetriebenen Heizlüfter, um bei der Aprilkälte den Besuchern Wärme zu verschaffen. Sanitärräume im 2. Obergeschoss sind im Bau, um das Haus für kulturelle Zwecke besser nutzbar zu machen. (Foto oben: viel Besuch am Mühlentag 2001) Text und Fotos (aus den Jahren 1996, 1998 und 2001) von Manfred Maronde, veröffentlicht in "Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V. Heft 10 - 2001". Zeichnung entnommen aus: "Lauenburgische Heimat", Schrift des "Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg e.V.", Heft 120, Seiten 105 ff., Mölln, 1988. | |||||||