Drei Tage und Nächte in Madrid
Kurzreise in das Zentrum eines einstigen Weltreiches
zum Anwenden der spanischen Sprachkenntnisse
vom 8. bis 11. November 2007

1 Vorgeschichte
Als ich vor gut sechs Jahren nach Neuruppin kam, wollte ich hier Menschen kennen lernen. Meine Idee: einen Volkshochschulkurs besuchen. Ein Sprachkurs sollte es sein. Zur Auswahl standen Italienisch und Spanisch. Italien liegt näher, ich war inzwischen sechs Mal dort. Doch Italienisch spricht man nur in Italien. Spanien liegt ferner, Spanisch wird aber außerhalb des Mutterlandes auf einem halben Kontinent gesprochen. Schließlich gaben zwei Argumente den Ausschlag: Meine Zwillingsschwester besuchte gerade in unserer Heimat einen Spanischkurs. Und auf meiner ersten Exkursion Anfang 2001 durch Spanien mit Prof. Matthée, einem Historiker und Romanisten, hatte ich quasi die Verabredung getroffen, eine Vorexkursion durch mehrere Länder Südamerikas zu begleiten. Dazu wäre es erforderlich gewesen, mich auch allein durchschlagen zu können, was Spanisch-Kenntnisse voraussetzte. Zu der Vorexkursion kam es zwar nicht. Dennoch habe ich richtig gewählt.

An der Kreisvolkshochschule im Oberstufenzentrum Neuruppin trifft sich seit damals (außer in der Sommerpause) einmal in der Woche eine kleine Gruppe "Alumnos de Español" mit ihrer "Profesora" Natascha Geiersberg. Jeden Sommer spielen wir Theater auf ihrem Reiter- und Kutschenhof in Zermützel; wir führen dabei selbst geschriebene Stücke nach zum Teil wahren Begebenheiten auf, und feiern anschließend eine "spanische Nacht", die auch bei des Spanischen nicht mächtigen Gästen zunehmend beliebter wird.

Die Idee eines Klassenausfluges haben wir bereits zweimal verwirklicht, Ziel war jeweils die katalanische Hafenstadt Barcelona. Diesmal sollte etwas Neues erkundet werden. Meine Vorschläge gingen Richtung Santiago de Compostela im nordwestlichen Galizien oder nach Andanlusien mit Sevilla, Córdoba und Granada. Beide Ziele sind aber nicht mit direkten Flugverbindungen von Berlin aus erreichbar. Also ging es nach Madrid.
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Da nicht alle Mitschüler so gut situiert sind wie ich (zwar sind drei Unternehmerinnen dabei, aber das verheißt noch keinen Wohlstand), kamen als Transportmittel die sog. Billigflieger und Bahnen und Busse in Frage, während die Unterkunft in einem Hostal genügen sollte. Das Budget für uns Zehn bestand aus dreimal 70 Euro: die ersten für den Flug wurden im Sommer eingesammelt, die zweiten für die Unterkunft vor der Abreise per Umlage erhoben und die dritten für "Comidas" (Essen) und "Bebidas" (Getränke) aus der Klassenkasse entnommen. Noch etwas Taschengeld einstecken, und es konnte losgehen.

2 Anreise
Da zur Zeit die Lokomotivführer streikten, war die Anreise von Neuruppin nach Berlin-Schönefeld unsicher. Statt der von mir gewählten Zugverbindung mit einmaligem Umstieg in Spandau sollte sicherheitshalber eine Stunde früher abgefahren werden. Das brachte uns "Schienenersatzverkehr" per Reisebus und dreimal Umsteigen mit der S-Bahn durch Berlin (S 25 von Hennigsdorf bis "Gesundbrunnen", S 41 Ringbahn bis "Treptower Park" und dann S 9) ein. Mitgebrachte Rucksackverpflegung in Form von Sekt und Weißwein machte die Fahrt zum Vergnügen - die S-Bahn wurde zur "Essbahn" bzw. "Trinkbahn", wobei unsere T-Shirts uns outeten: "Arriba - abajo - al centro - adentro": Gestreikt wurde an diesem Tag übrigens nicht.

Der Flug in die über den Wolken untergehende Sonne Richtung Südwesten verlief schön, harmonisch und durchaus komfortabel (außer für Langbeinige). Nach einer Flughafenrundfahrt in Madrid mit dem Airbus A 319 stiegen wir bei Dunkelheit aus und strömten Richtung Metro-Station.

Eine Flughafenzeitung enthielt zum Glück einen Plan der Metro-Linien. Also mit der rosa Linie 8 bis Endstation "Nueves Ministerios" (Neue Ministerien), nur eine Station mit der grauen Linie 6 nach "Cuatro Caminos" (Vier Wege) und dann in die blaue Linie 1. Doch die Bauherren des Bahnhofs hatten sich eine Schikane ausgedacht: Nicht weniger als sechs Rolltreppen waren zu bezwingen, und das mit vollem Gepäck.
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Das Gedränge nutzte ein schlanker junger Mann aus und entwendete einem unserer Teilnehmer das Portmonee aus der Gesäßtasche. Das fiel ihm in der Bahn auf. Zu seinem Glück befanden sich nur Ausweise und kein großes Geld oder Kreditkarten darin. Die Gruppe geriet dennoch in Aufregung. Ein paar Stationen weiter drängte der fremde Mann aus dem Zug - und ließ dabei etwas fallen: das Portmonee. Es war noch alles darin, sogar die zehn polnischen Sloty.

So beruhigt entstiegen wir der Metro an der Station "Antón Martin" und rollten mit unseren Trollys durch die spärlich beleuchtete "Calle Amor die Díos", durch die "Straße der Liebe Gottes". Welch ein Auftakt im katholischen Spanien!
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Die Querstraße dahinter war schon die "Huertas", übersetzt "Obst- und Gemüseland", eine lange schnurgerade Altstadtstraße im "Barrio de los literados", dem Literatenviertel zwischen "Plaza del Angel" (dem Engelsplatz oder besser Platz der Engel) im Nordwesten und dem "Museo del Prado" im Südosten. Erkennbar sind die Straßen im Autorenviertel an den in das Straßenpflaster eingelassenen Zitaten der hier einst lebenden Schriftsteller, an die auch Plaketten an den Häuserfassaden erinnern - wie Miguel de Cervantes, Lope de Vega, Tirso de Molina und Francisco de Quevedo. Und alles "Zona Peatonal", also autofreie Fußgängerzone.

3 Quartier und Lokale
Señora López ließ uns per Sprechanlage in ihr Haus und empfing uns im "Primero pizo", im ersten Stock. "Hostal López - Habitaciones con baño y A/C - English spoken - Si parla Italiano - A 3 minutos del Museo del Prado" steht auf der Visitenkarte. Es wurden ein Dreibettzimmer, drei Zweibettzimmer (eines mit "Cama Matrimonio", also mit Ehebett) und ein Einzelzimmer belegt.
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Das Einzelzimmer wurde mir als dem Reiseältesten überlassen, es lag im ersten Stock zum Innenhof. Einfach eingerichtet, aber mit eigener Nasszelle und Klimaanlage ausgestattet und einem barocken Spiegel mit Konsoltischchen dekoriert - und sauber. Die anderen Zimmer lagen im "Tercero pizo", also zwei Etagen höher, was sich für meinen Nachschlaf vorteilhaft auswirken sollte.

In nahezu jedem dritten der schmalen, rund drei oder vier Geschosse hohen, Häuser entlang der "Huertas" befand sich eine Gaststätte: So fanden wir schnell Bars, Restaurants usw. Die Stimmung war gut - endlich in Spanien, in Madrid, worauf wir uns ein halbes Jahr lang gefreut hatten.
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Die drei Nächte wurden lang - oder besser gesagt kurz, denn manch Einer und manch Einem von uns war die Zeit zum Schlafen zu schade. Der Vorschlag, ohne Reservierung ein Lokal mit dem typisch andalusischen Flamenco-Tanz mitten in der Nacht zu besuchen, erschien mir fern der Wirklichkeit. Doch einigen Teilnehmerinnen gelang es - und wurde als Höhepunkt der Reise deklariert.

Auch danach ging es im dritten Stock des Hostals, der nur von unserer Gruppe bewohnt wurde, hoch her - wie auf einem Schulausflug einer 8. Klasse. Mehr sei hier nicht verraten - aus Gründen der verfassungsmäßig garantierten Unverletzlichkeit der Privatsphäre. Beschwerden über Lärmbelästigung ("Qué ruido!")o.ä. gab es übrigens keine.

So war es schon lange hell, als wir - und auch die meisten Madrileños - erwachten und aufstanden. Die "Huertas" war kahl und leer, nur ein kühler Wind von etwa 5 Grad Celsius zog zwischen den Häuserfronten unter klarem Himmel durch.

So gegen 9:30 Uhr zogen wir los Richtung "Plaza de Santa Ana". Eines der wenigen schon geöffneten Frühstückslokale war innen voll besetzt. In einem Mittelmeerland muss man doch draußen sitzen können! Hier auf dem Platz sollten zwei Propangas-Heizpilze - so heißen sie auf Beamtendeutsch - Wärme geben, die aber nicht verhindern konnten, dass den meisten von uns die Nase zu laufen begann.
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So folgten wir dem Warnruf: "Lasst uns irgendwo reingehen, wir werden sonst alle krank!". Ein strammer Marsch über die "Plaza de Puerta del Sol", den Platz am Sonnentor, zur "Plaza Mayor", dem Hauptplatz, erwärmte schon die Füße. Von der "Puerta del Sol", dem eigentlichen Zentrum der Altstadt, führen in alle Richtungen immerhin zehn Straßen, auf denen zum Teil lebhafter Autoverkehr tobt. Ganz anders dagegen die Plaza Mayor. Sie wird an allen vier Seiten eines Rechtecks von nur einem einzigen Haus umrahmt. Der prächtigste Teil der Fassade, mit schönen Fresken, gehörte übrigens einst der Bäckerinnung.

In einer kleinen Seitenstraße nördlich der Plaza Mayor entdeckten wir ein kleines altes Lokal, in dem wir Kaffee oder noch besser "Chocolate" trinken - und uns aufwärmen - konnten. Die Vielfalt der Kreationen aus Kakao und Früchten ist ein Geheimtipp!

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